Inventarnr.
702
Systematik
310.10.12 Physik / Sammlung der bayerischen Akademie der Wissenschaften / Astronomie
Identität
Original
Beschreibung
Im Unterschied zu einer üblichen Äquatorialsonnenuhr (auch Deklinationssonnenuhr) wird der Sonnenstand hier nicht mittels eines Schattens eingestellt, sondern die Sonne wird durch eine Linse auf eine kleine ringförmige Auffangfläche projiziert. Dort sind Kästchen eingraviert, in die die Sonne sich genau einstellen lässt. Das hat den Vorteil, dass keine unvermeidliche Unschärfe des Schattens wie bei anderen Sonnenuhren besteht und die Präzision somit nicht beeinträchtigt wird. Mit wechselbaren Absehen (Visiereinrichtungen) konnte man das Instrument nicht nur zur Einstellung der Sonne, sondern auch zur Messung von Winkeln zu anderen Zielen hin benutzen. So war der Stundenring etwa nicht nur auf die geographische Breite des Beobachtungsortes einstellbar, sondern auch in der Waagerechten fixierbar. Zur Justage diente die Röhrenlibelle. Dadurch konnte das Instrument auch als eine Art Theodolit benutzt werden. In erster Linie jedoch war es als Sonnenuhr konzipiert. Die Bussole (Kompass) mit Magnetnadel half beim Einnorden, die drei Schrauben in der Grundplatte beim Nivellieren. Der Stundenring wurde so geneigt, dass seine Drehachse parallel zur Erdachse stand. Dann entnahm man einer Ephemeride (Tafelwerk mit Positionen von sich bewegenden astronomischen Objekten) den Deklinationswert der Sonne. Durch Drehung des Lineals auf dem Stundenkreis konnte nun die Sonne im Diopter eingestellt werden. Um die Sonne ganz genau zu positionieren, war ein Doppelfadenkreuz vorgesehen, dessen Fäden die Sonne genau am Rand umschlossen. Das Lineal des Stundenkreises war dazu mit einer markierten Glasplatte ausgestattet (nicht mehr erhalten), um die Zeit sehr präzise ablesen zu können. Der herunterklappbare Zeiger am Rand der Steinplatte ermöglicht noch eine weitere Funktion: Durch ihn konnte die Nord-Süd-Richtung eines Ortes sehr genau ermittelt werden, indem man das Instrument wie einen Sonnenquadranten benutzte (siehe Inventarnummer 700).
Sehr genaue Sonnenuhren könnten, so hoffte schon Christoph Kaspar Höschels (1744-1820) Lehrmeister Georg Friedrich Brander (1713-1783), beim Stellen von mechanischen Uhren helfen. Dazu musste die Sonnenuhr allerdings eine Zeitablesung mit einer Genauigkeit im Bereich von wenigen Sekunden erlauben. Ausgeklügelte Konstruktionen mit präzisen Einstellvorrichtungen und Feinbewegungen, wie hier beim Stundenkreis vorhanden, dienten diesem Zweck. Wer eine noch höhere Genauigkeit benötigte, griff zu sogenannten Passageinstrumenten (etwa Inventarnummer 739). Diese verbreiteten sich allerdings erst im 19. Jahrhundert.