Technik ist stets Ausdruck ihrer Zeit. Was heute als selbstverständlich gilt, war vor 100 Jahren oft revolutionär und kann morgen bereits wieder überholt sein.
Anlässlich des Jubiläums präsentieren wir gemeinsam mit den Kuratorinnen und Kuratoren des Clusters Digitale Projekte ausgewählte Objektpaare, die diesen Wandel widerspiegeln. Jedes Paar erzählt eine Geschichte von technologischem Fortschritt, gestiegenem Komfort oder Effizienz, aber auch von Veränderungen in Herstellung, Materialität, Handhabung und Nutzungskultur. Mit jedem Objekt, das entwickelt wird und mit jeder alten Technik, die aus dem Alltag verschwindet, entstehen neue Herausforderungen und Chancen. Gleichzeitig wirft die dialogische Gegenüberstellung vor allem in einer Zeit, in der unseren Alltag in immer kürzeren Abständen durch technische Fortschritte verändert wird, Fragen danach auf wie wir diese zukünftig gestalten wollen.
Entdecken Sie ein Jahrhundert technischer Entwicklungen im Spiegel unserer Zeit.
Ende des 19. Jahrhunderts beginnt man mathematische Flächen im Raum mit Hilfe von Modellen sichtbar zu machen. Hier trägt ein massiver Gipskörper die verschraubte Fläche.
Über 100 Jahre später ermöglicht die Lasertechnik eine realitätsgetreuere Darstellung - selbst von Flächen mit nur durch Spitzen verbundenen Bereichen.
Ideenreichtum bei der Wahl der Materialien
Tasse aus Nymphenburger Porzellan, 1930, Inv.-Nr.: 8028Espressotasse aus einem Dispersionsverbundwerkstoff, 2020, Inv.-Nr.: 2020-270
Die Espressotasse aus einem Dispersionverbundwerkstoff stammt aus dem Jahr 2020. Sie besteht aus Kaffeesatz, der mit einem abbaubaren Biopolymer verklebt wurde. Tatsächlich sind Verbundwerkstoffe schon seit der Antike bekannt. Porzellan wurde in Deutschland 1708 in Meissen das erste Mal hergestellt.
Die Tasche wurde in Manila aus weggeworfenen Safttüten gefertigt. Über 500 Frauen verdienen dort als Anteilseignerinnen einer Kooperative ihren Lebensunterhalt. Benannt nach dem philippinischen Wort für Müll basura vertreibt die kanadische Firma Bazura Bags die Taschen in über 20 Ländern.
Von der traditionell-handwerklichen Fertigung zur vollautomatischen Herstellung
Champagner-Flaschenblasmaschine, 1905, Inv.-Nr.: 62106IS Maschine zur Glasherstellung, um 1964, Inv.-Nr.: 78297
Flaschen wurden früher an der Lampe geblasen. Mit den automatisierten Verfahren des 20. Jh. eroberten Einwegflaschen den Markt. Die Champagner-Flaschenblasmaschine aus dem Jahr 1905 funktioniert halbautomatisch. Die IS-Maschine aus dem Jahr 1964 funktioniert bereits vollautomatisch.
Mikrofone werden federleicht
Kadophon, um 1925, Inv.-Nr.: 2003-474 Nackenbügel-Kondensatormikrofon, 2025, Inv.-Nr. 2025-112
100 Jahre Entwicklung verlieren 100-fach an Gewicht. Schon das 5 Kilogramm schwere Kathodophon von 1925 erreichte recht gute Wiedergabetreue, doch wird „High-fidelty“ heutzutage mit solch einem dezenten Nackenbügelmikrofon erzielt. Mit seinem Gewicht von nur 6 Gramm kann es bequem über den Ohren getragen werden und bleibt dabei für den Sprecher/die Sprecherin meist unbemerkt.
Faszination Lichtbrechung
Refraktometer nach Abbe, 1933, Inv.-Nr.: 1986-148Digitales Refraktometer, 2019, Inv.-Nr.: 2019-524
Licht breitet sich in verschiedenen Substanzen unterschiedlich schnell aus. Wir sehen dies wenn Lichtstrahlen an einer Wasseroberfläche abgelenkt, gebrochen werden. Der Brechungsindex ist eine feste Größe einer Substanz und hilft, eine Substanz genau zu bestimmern. Daher wird er im Chemielabor häufig gemessen.
Rumplers Tropfenwagen kam 1925, also im Eröffnungsjahr des Sammlungsbaus ins Deutsche Museum. Der Easymile Shuttlebus folgte fast genau hundert Jahre später. Während der Tropfenwagen durch seine aerodynamische Form bestach, setzte der Bus auf einen vom Computer gesteuerten, vollautomatisierten Fahrbetrieb.
Atemschutz für die Retter der Grubenwehr
Rettungsapparat von Dräger, 1910/11, Inv.-Nr.: 53154Atemschutzgeräte von Dräger, Ende 20. Jh., Inv.-Nr.: 2021-376
Das Lübecker Drägerwerk konstruierte seit Beginn des 20. Jh. Atemschutzgeräte wie das Modell 1910/11. Diese Geräte werden gebraucht, um Rettungen nach Grubenunglücken überhaupt zu ermöglichen. Deshalb wurden die Geräte immer weiterentwickelt und sehen heutzutage zum Beispiel wie das Dräger PSS BG 4 plus aus.
Mining
Modell Buckelbergwerk, Inv.-Nr.: 2022-21Mining Demonstration für Kryptowährung Ethereum, 2017, Inv.-Nr.: 2023-188
Aus einer Mine werden Rohstoffe entweder über Tage oder aus den Tiefen eines Bergwerks gefördert. Beim Schürfen nach Kryptowährung nutzt man statt Schlägel und Eisen die Rechenleistung gebündelter Grafikkarten, und die Energie stammt nicht von Menschenhand, sondern aus der Steckdose.
Lange bevor es Scanner oder Kopierer gab, sollten Zeichnungen vergrößert, verkleinert oder vervielfältigt werden. Dazu verwendete man Pantografen. Das linke Bild zeigt ein besonders hübsches Exemplar: einen Silhouettenzirkel, mit dem Schattenrisse auf die gewünschte Größe gebracht werden konnten.
Spinnkunst im Wandel der Zeit
Spinnrad für Flachs, um 1950, Inv.-Nr.: 2015-1040Elektrospinnapparatur, Bj. ca. 2004, Inv.-Nr.: 2009-278
Ob Holzspinnrad oder High-Tech-Apparatur – beide spinnen ein Material zu Fäden. Beim Spinnrad werden die Flachsfasern durch mechanische Kräfte geformt, beim Elektrospinnen werden aus einer Polymerlösung durch elektrische Kräfte ultrafeine Fäden erzeugt.
Wie sich die Insulin-Versorgung revolutioniert hat
Insulin Hoechst, Durchstechampulle aus Glas, ca. 1925, Inv.-Nr.: 2008-0856T1Insuman Basal 100 I.E./ml, 10 Patronen zu je 3 ml, 2019, Inv.-Nr.: 2023-388
1923 begann die Insulinproduktion in Europa. „Insulin Hoechst“ der Farbwerke Hoechst wurde aus Kälber- und Rinder-Bauchspeicheldrüsen hergestellt. Hohe Kosten und begrenzte Produktionskapazitäten machten die Behandlung schwierig. Heute wird Insulin biotechnologisch mithilfe gentechnisch veränderter Bakterien hergestellt, hochrein und in vielen Varianten verfügbar – von schnell bis lang wirkend.
Kälte auf Knopfdruck
Kompressions-Kältemaschine mit Schwefelsäure als Kältemittel, um 1900, Inv.-Nr.: 7954Luft-Wasser-Wärmepumpe (Outdoor-Unit einer Klimaanlage), 2015/16, Inv.-Nr.: 2018-655
Die erste Kompressions-Kältemaschine wurde 1834 gebaut; hier sehen wir eine Maschine aus der Zeit um 1900. Dieses Prinzip kommt noch heute in modernen Klimaanlagen zur Anwendung.
Traktoren waren und sind die wohl wichtigsten und vielseitigsten Landmaschinen. Sie ziehen schwere Geräte und treiben Maschinen an: der mit Rohöl betriebene, kostengünstige und zuverlässige Lanz Bulldog aus den 1920er-Jahren genauso wie der kompakte Fend 211 mit Variogetriebe und digitalem Kommunikationssystem.
1786 wurde die erste brauchbare Dreschmaschine gebaut und verkürzte die Getreidedrusch von einem halben Jahr auf wenige Wochen. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh. wurden in Deutschland Dreschmaschinen von Mähdreschern abgelöst, die in einem Arbeitsgang mähen und dreschen.
Musik von Geisterhand
Reproduktionsflügel Steinway-Welte, 1928, Inv.-Nr.: 1995-270Yamaha Disklavier, ca. 2010
Die Reproduktionsflügel der Firma Welte erregten Anfang des 20. Jh. großes Aufsehen, da sie das Spiel von PianistInnen differenziert wiedergaben. Gespeichert wurde es auf gelochten Notenrollen aus Papier.
Auch das Yamaha Disklavier kann dies, gespeichert wird das Spiel ohne haptischen Träger über MIDI.
Unter Strom auf Schienen
Erste elektrische Eisenbahn, 1879, Inv.-Nr.: 3720Erster ICE, 1985, Inv.-Nr.: L2007-6
Die Siemens-Lok von 1879 war die erste betriebstaugliche elektrische Eisenbahn der Welt. In Berlin transportierte sie Ausstellungsgäste auf einem Gleisoval. Rund 100 Jahre später legte der erste ICE, der InterCityExperimental, 1985 den Grundstein für das heutige Hochgeschwindigkeitsnetz der ICE-Züge.
Der erste Dieselmotor und sein Nachfahr
Kompressorloser Rohölmotor RI Horo der Motorenwerke Mannheim, vormals Benz Abteilung stationärer Motorenbau, konstruiert von Prosper L’Orange, Bj. 1922, Inv.-Nr.: 56954Mercedes-Benz Dieselmotor OM654, 2021/22, Inv.-Nr.: 2022-343
Der erste mit einer Einspritzpumpe ausgestattete Dieselmotor RI-Horo der von Carl Benz gegründeten Motorenwerke Mannheim ermöglichte dieselgetriebene Fahrzeuge. Der OM 654 der Mercedes-Benz AG ist sein aktueller, vielfach verbesserter Nachfolger. Heute treiben Dieselmotoren verschiedenste Fahrzeuge, Schiffe und sogar Flugzeuge an.
Die Sterne vom Himmel holen
Planetariumsprojektor Zeiss Modell I, 1923, Inv.-Nr.: 53966Planetariumsprojektor Zeiss SKYMASTER ZKP 4, 2014, Inv.-Nr.: 1988-16
Im Auftrag des Deutschen Museums entwickelte die Firma Carl Zeiss Jena den weltweit ersten Planetariumsprojektor. Der Sternenhimmel mit 4500 Fixsternen wird von 31 Sternfeldprojektoren erzeugt, gespeist von einer 500 W-Glühlampe.
2015 wurde das Planetarium des Deutschen Museums nach zweijähriger Renovierung mit dem SKYMASTER ZKP 4 von ZEISS wiedereröffnet. Das Projektionssystem mit Glasfaseroptiken verbesserte die Qualität der Darstellung des Sternenhimmels. Die Bewegungssteuerung von Sonne, Mond und Planeten erfolgt heute durch Direktantriebe mithilfe astronomischer Software.
Vom Experiment zum Weltraum: Die Evolution der Raketenantriebe
Rakete von Johannes Winkler, 1932, Inv.-Nr.: 73100Brennkammer Vulcain 1 von Trägerrakete Ariane-5, Bj. 2002, Inv.-Nr.: 2002-198
Die Rakete HW 2 von Johannes Winkler und die Brennkammer Vulcain 1 der Ariane-5 zeigen die Entwicklung der Raketentechnik. Während die HW 2 in niedrige Höhen von wenigen Kilometern aufstieg, treibt das Vulcain-1-Triebwerk Satelliten in den Orbit. Beide verbindet das Prinzip des Raketenantriebs zur Erschließung des Luftraums und des Alls.
Von klobigen Kisten zu smarten Helfern
Elektrischer Hörapparat, Typ C IV GROSS, ca. 1925, Inv.-Nr.: 57141Hörgerät, digital, Styletto X, links und rechts, Inv.-Nr.: 2025-74
1925 waren elektrische Hörhilfen sperrige Kästen mit Batterien, die in der Tasche getragen wurden. Sie verstärkten den Schall, aber ohne Filterung störender Geräusche. Heute sind Hörgeräte klein, digital und intelligent: Sie passen sich automatisch an Umgebungen an, unterdrücken Lärm und können sich mit Smartphones verbinden. Moderne Technik macht Hören natürlicher und das Leben komfortabler.
Elektronische Klänge
Theremin, Koch & Sterzel, 1929, Inv.-Nr.: 66467Software-Instrument „GeoShred“, Jordan Rudess & Wizdom Music LLC, 2020
Das von dem russischen Physiker Lev Termen erfundene Theremin markiert den Beginn der portablen Instrumente mit elektronischer Tonerzeugung.
Heute sind keine Röhren mehr erforderlich: Das von Jordan Rudess entwickelte Programm „Geoshred“ ermöglicht das ausdrucksvolle Spiel verschiedener Klangfarben und Instrumente auf dem Tablet.
Der präzise Blick in das Auge
Einfacher Augenspiegel mit elektr. Beleuchtung, ca. 1930, Inv.-Nr.: 1977-1131Ophthalmoskop Beta 200S LED mit Ladegriff Beta 4 USB und Ladestation, Inv.-Nr.: 2018-335T1
1925 war der Augenspiegel, das Ophthalmoskop, ein einfaches, optisches Instrument, das zu dieser Zeit erstmals mit einer elektrischen Lichtquelle ausgestattet war. Heute sind Ophthalmoskope hochmoderne Geräte mit einem speziellen optischen System, Akku und LED-Licht, die auch im mobilen Einsatz detaillierte Bilder der Netzhaut und anderer Augenstrukturen liefern können.
Stofftrennung durch Chromatographie
Dünnschichtchromatographie im LaborKombiniertes Analysensystem für Gaschromatographie und Massenspektrometrie GC-MS Agilent, 2019, Inv.-Nr.: 2019-434
Substanzgemische lassen sich trennen, indem man sie auf einem Trägermaterial aufträgt und dann mit einem Lösungsmittel wandern lässt. Bei der Dünnschichtchromatographie passiert das mit Hilfe von Kieselgelplatten im Labor. Moderne Geräte nutzen das gleiche Prinzip zur Trennung und Analyse: Beim Gaschromatograph wird eine gasförmige Mischung an einer festen Substanz getrennt.
Das Klapprad im Wandel der Zeit
Klapprad Express, Bj. 1918, Inv.-Nr.: 55300Faltrad Dahon MU XL, Bj. ca. 2006, Inv.-Nr.: 2007-1167
Das Klapprad ist heute ein praktischer Begleiter für den Alltag, die Zugreise oder den Campingurlaub. Früher wurde es vor allem beim Militär eingesetzt. Die anfangs sperrigen und auch klapprigen Gefährte haben sich im Laufe der Zeit zu vollwertigen, komfortablen Rädern entwickelt.
Mechanisierung und Digitalisierung in der Küche
Modellküche, um 1900, Inv.-Nr.: 1992-756Modellküche, um 1990, Inv.-Nr.: 1992-757
Wo ist der Induktionsherd, wo der Dampfgarer, der Kaffeevollautomat, die Heißluftfritteuse, der Entsafter, der Sensorbackofen mit KI? Heute mutet die „moderne Einbauküche von 1990“ fast so historisch an wie die Küche von 1900.
Eine digitale Ausstellung in Kooperation des DMD mit dem Cluster Digitale Projekte anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Deutschen Museums 2025.
