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Tabaksdose mit Ewigem Kalender (Dutchman's Log)

Inventory no. 1993-65
Classification 720.10.05 Schiffahrt / Navigation, Schiffsbetrieb / Rechenhilfsmittel und Zeichengeräte
Identity Original
Description Die Dose wurde aus Metall angefertigt, wobei die Ober- und Unterplatte vermutlich aus Messing und das Seitenteil aus Kupfer bestehen. Sie ist ein typisches Beispiel für eine von Seemännern gern verwendete Tabaksdose. Auf der Oberseite der Dose wurde ein Ewiger Kalender in den Deckel eingraviert. Mit diesem konnten die Wochentage und das Mondalter ermittelt werden. Die Kenntnis von letzterem war insbesondere bei Navigation im Küstengebiet zur Ermittlung von Ebbe und Flut entscheidend.
Die Bezeichnung "Dutchmen's Log" (Relingslog) für solche Dose bezieht sich auf die gleichnamige Methode, mit der man auf niederländischen Schiffen seit dem späten 16. Jahrhundert die Schiffsgeschwindigkeit ermittelte. Hierbei markierte man an der Schiffsreling eine Strecke vom Bug zum Heck im Maß der Meridiantertie (1 Meridiantertie = 3600. Teil einer Seemeile = 0,514 Meter), warf z.B. ein Stück Holz ins Wasser und maß dann mit einer Sanduhr die Zeit, in der das Schiff diese Strecke zurücklegte. Auf der Unterseite der Dose befindet sich eine Logtabelle mit Angaben, die der Umrechnung der ermittelten Zeit in Knoten (Seemeilen pro Stunde) diente – damals noch als "Seemeter" bezeichnet.
Der Ewige Kalender endet mit der Jahreszahl "1769", was wohl das Herstellungsjahr der Dose ist.
Passend zum Ewigen Kalender wurde auf der linken Hälfte der Oberseite eine Vignette mit dem Porträt des bekrönten Julius Caesar (100–44 v. Chr.) mit der Untertitelung "Voor Kristi / 45" eingraviert, also 45 v. Chr., der Einführung des Julianischen Kalenders. Auf der rechten Seite wurde eine Vignette mit dem Porträt Papst Gregors XIII. (1502–1582) unter der Jahreszahl 1582 eingraviert. In diesem Jahr verordnete dessen Bulle die Einführung des Gregorianischen Kalenders. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Anzeige des Kalenders. Die Angabe beider Zählungen war weiterhin erforderlich: Während in vielen reformierten oder protestantischen europäischen Ländern die alte Zählung mitunter noch lange – im Königreich Schweden z.B. noch bis ins Jahr 1753 – beibehalten wurde, führte man den Gregorianische Kalender in vielen, vor allem katholischen Ländern zeitnah ein. In der Provinz Holland, zu der Amsterdam gehörte, geschah dies bereits 1582/83. Da Seeleute viel reisten, mussten beide Zählungen auf der Dose nicht nur vorhanden, sondern auch vergleichbar sein.
Auf die Unterseite wurde eine weitere Vignette graviert, in der ein Mann mit Hut eine Erdkugel im Arm hält. Bei diesem handelt es sich wohl um den Kaufmann und Seefahrer Amerigo Vespucci (1454(?)–1512), nach dem der Doppelkontinent Amerika benannt wurde. Ihm wird 1497/98 eine frühe (aber von der Forschung angezweifelte) Amerikafahrt zugeschrieben, diese Jahreszahl "1497" wurde auch unter das Bildnis graviert.
Auf einer Seite der Dose steht: "Regt Door Zee", was im nautischen Sinne einen Kurs "geradeaus", "direkt", "ohne Umwege", aber auch "offen und ehrlich" bedeuten kann. Ab etwa 1737 eröffnete Pieter Holm (1685/86–1776), ein schwedischer Seemann, in Amsterdam eine Marineschule gleichen Namens. Wohl daher werden ihm überlieferte Tabaksdosen dieser Art zugeschrieben, die einen integrierten Ewigen Kalender tragen. Da auf ihnen seitlich immer "Regt Door Zee", wäre es möglich, dass Holm damit auch seine Schule beworben hat – oder dass die Dosen dort hergestellt wurden. Die in der Forschungsliteratur – so bei Mike Cowham – zu findende Zuschreibung an Pieter Holm als Hersteller der Dosen wird jedoch durch die Angabe von Ernst Dossmann relativiert, dass solche Tabaksdosen in Iserlohn (damals Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation) hergestellt wurden. Somit werden die Dosenrohlinge nach Amsterdam verschifft worden sein und wurden dann von Pieter Holm u.a. mit niederländischen Sinnsprüchen graviert und in seiner nautischen Schule verkauft. Auch Marion V. Brewington, Kuratorin der Marinegeschichte am Peabody Museum in Salem, Massachusetts, schlägt Holm als Designer der Dosen vor.
Auf der anderen Seite der Dose wurde "IAN + GERRT + HUYSMAN" eingraviert. Die Hand hat wenig Ähnlichkeit mit der anderen Schrift, so dass angenommen werden kann, dass der Besitzer der Dose seinen Namen zur Identifizierung eingraviert hat. Gerade auf Schiffen mit zahlreichen Personen war diese Markierung des persönlichen Besitzes wichtig, nicht zuletzt, um Streitigkeiten um die Zugehörigkeit von Dingen zu vermeiden. Über diesen Mann namens Jan Gerrit (?) Huysman konnte bisher nichts in Erfahrung gebracht werden. Es ist nicht auszuschließen, dass er ein Schüler auf Holms Seefahrtsschule war. Vielleicht bekamen die Schüler die Dosen beim Schulstart überreicht und hatten somit nicht nur ihren Tabak, sondern auch die zur Navigation wesentlichen Informationen auf See zur Hand. (Mareike Wöhler 2019)
https://digital.deutsches-museum.de/item/1993-65/
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Persons/corporations involved Entwurf / vermutlich: Holm, Pieter
Places
Date Baujahr: 1769
Material Messing
Inscription(s) Gravur: IAN + GERRT + HUYSMAN
Gravur: [auf Vorderseite:] Right Door Zpp [?]
Gravur: [auf Unterseite:] [unleserlich]
Dimensions Objektmaß (H x B x L/T): 34 x 50 x 172 mm
Masse: 0,175 kg
Literature
  • Brewington, Marion V.: The Peabody Museum Collection of Navigating Instruments. With notes on their Makers. Repr. [d. Ausg.] Salem, Mass., 1963. Gloucester, MA [ca. 1990]. S. 80, Abb. Pl. XXXVIII, Kat. 230 (BVB)
  • Roeder, Corinna (Hrsg.): Columbus, Cook & Co. Nautische Instrumente, Seekarten und Reisebeschreibungen aus fünf Jahrhunderten. Wuppertal 2002 (Veröffentlichungen der Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden, Bd. 5). S. 36f. (BVB)
  • Cowham, Mike: Calendar Systems and Perpetual Calendars. Part 3: Description of Calendars. In: Bulletin of the Scientific Instrument Society 64 (2000), S. 7-12. S. 11, Abb. 11 (BVB)
  • Dossmann, Ernst: Iserlohner Tabaksdosen erzählen. Ein Einblick in die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und militärischen Verhältnisse und das Aufblühen von Gewerbe, Industrie und Handel im märkisch-westfälischen Wirtschaftsraum während der Regierungszeit Friedrichs des Großen, dargestellt an bekannten Iserlohner Industrieerzeugnissen. Iserlohn 1981. S. 21f., Abb. 21f. (BVB)
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