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Fantasiereisen – Ein digitales Kooperationsprojekt. Teil 2: Making-of

Von Damian Mallepree (Gast), Yannik Scheurer (Gast) und Mareike Wöhler

Friedrichshafen: 47° 39' 2'' Nord, 9° 28' 58,9'' Ost: Sonnenschein am Bodensee.

München, 48° 7' 48,4'' Nord, 11° 35' 1,7'' Ost: Regen an der Isar.

Düsseldorf: 51° 13' 51,3'' Nord, 6° 47' 15,8'' Ost: Hitze am Rhein.

Wir merken nicht viel vom Wetter, denn wir haben in unseren Museen mit dem Dreh von drei Videos alle Hände voll zu tun.

Wie das Kooperationsprojekt „Fantasiereisen“ von Zeppelin Museum, Goethe-Museum Düsseldorf und Deutsches Museum entstanden ist und wie uns die Monacensia dazu inspiriert hat, hatten wir an dieser Stelle bereits vor kurzem geschildert.

Heute möchten wir vom Making-of der Videos berichten, die wir im Rahmen einer ersten Aktion unter dem Titel „Fantasiereisen“ gedreht haben. Dazu haben wir uns Fragen gestellt und Antworten gegeben.

Mareike: Yannik, Du hast unsere Aktionsteilnahme an der digitalen Vernetzungsaktion #ErikaMann der Monacensia mit Deiner Postkartenaktion thematisch in Richtung „Zeppelinreisen“ gelenkt, ohne es zu wissen. Dadurch hat das Zeppelin Museum indirekt auch an der Vernetzungsaktion teilgenommen. (Nachzulesen im Blog des Deutschen Museums.) Ihr wart auch das erste von uns drei Museen, das ein Video für die Fortsetzung bei unserem Kooperationsprojekt „Fantasiereisen“ gedreht hat. Du hast gescriptet und produziert. Deine Kollegin Charlotte Ickler hat die Geschichte erzählt und auch am Script mitgeschrieben. Wie kam sie dazu? Und was sind Eure Aufgaben im Museum?

Yannik: Charlotte ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Diskurs & Öffentlichkeit. Das heißt, sie arbeitet am Begleitprogramm der Ausstellungen mit und ist für die Konzeption pädagogischer Formate zuständig. Auch Druckerzeugnisse fallen in ihren Aufgabenbereich. Im Rahmen unserer Ausstellung „Vernetzung der Welt“ hat sie sich näher mit den beiden blinden Passagieren Wopsie, der Katze, und William Ballantyne, einem ausgemusterten Crewmitglied, befasst, da es im Museum eine Schnitzeljagd mit Wopsie gibt und Charlotte auch pädagogische Materialien für die Ausstellung ausarbeitet – daher muss sie sich recht tief ins Thema einarbeiten. Und ein Interesse an Stoffel, dem blinden Passagier aus Erika Manns Kinderbuch, hat sie tatsächlich auch noch: Gemeinsam mit unserem Kollegen Dr. Mark Niehoff aus der Kunstabteilung kuratiert sie eine Ausstellung zu Kunst und Literatur am Bodensee, die 2021 eröffnet wird. In dieser Ausstellung kommen Stoffel und Erika Mann ebenfalls vor! Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kommunikation und kümmere mich dort um unsere Social Media-Kanäle und unsere Digitale Sammlung.

Mareike: Schon früh habt Ihr Damian vom Goethe-Museum und mir einen Rohschnitt des Videos geschickt, der uns direkt sehr gut gefiel. Wie seid Ihr die Sache vor Ort am Zeppelin Museum angegangen? Wer war außer Euch beiden noch beteiligt? Und wie habt Ihr das geplant? Ein Video sieht ja am Ende locker und lässig aus, wenn es gut gemacht ist, aber es steckt doch eine ganze Menge Arbeit dahinter, selbst wenn es nur ein paar Minuten dauert wie unsere Videos.

Yannik: Am Dreh selbst war außer uns beiden niemand sonst beteiligt. Durch unser sehr handliches und übersichtliches Setup aus Smartphone, Gimbal und ansteckbarem Funkmikrofon braucht es bei Drehs meistens wenig Personal hinter der Kamera. Für das Skript konnten wir auf das Erarbeitete zurückgreifen. Und da wir ja beide noch im Thema stecken, haben wir aus diesen Bausteinen schnell einen Text für Charlotte basteln können, den wir dann auf die verschiedenen filmischen Einstellungen verteilt haben. Da wir zu diesem Zeitpunkt (nach der COVID-19-bedingten Schließung, Anm. d. Red.) schon wieder täglich geöffnet hatten, sind wir am nächsten Morgen vor Museumsöffnung direkt in die Ausstellung gegangen und haben uns vor Ort die genauen Takes überlegt. Insgesamt haben Konzeption und Dreh knapp zwei Stunden gedauert, der Schnitt in etwa auch.
Für das Video haben wir aber natürlich auch vom großartigen Modell des Luftschiffs R 34 profitiert, das Henry Wydler für diese Ausstellung gebaut hat, von den Ausstellungsfotos von Markus Tretter oder den historischen Bildern, die uns der Airship Heritage Trust zur Verfügung gestellt hat. Wir hatten also alles schon griffbereit und konnten schnell starten. In München wurden da etwas größere Geschütze aufgefahren, oder?

Mareike: Stimmt, als Du das Foto retweetet hast, dass ich Damian von unserem Dreh geschickt hatte, sprachst Du ja gleich von „totaler Eskalation“. Ganz so heftig war es nicht, aber wir haben etwas mehr technischen Aufwand als Ihr beide betrieben. Zum Glück hatte ich einen Großteil der Recherche für das Script schon durch meine Blogposts zu Stoffels Reisen erledigt, das hat unser Kurator der Historischen Luftfahrt, Andreas Hempfer, dann ergänzt, bis alles rund war. Er steckt natürlich viel tiefer in der Materie Zeppelin drin als ich, das Schöne war aber, dass wir uns in den Drehpausen beide Sachen erzählen konnten, die wir noch nicht wussten. D.h., dass durch die Vernetzungsaktion zusätzliches Wissen entstand, das auch in das Fachgebiet zurückgespielt werden konnte.

Abb. 5, 6: Am Set: Der Videodreh in der Historischen Luftfahrt des Deutschen Museums. Andreas Hempfer, Kurator für Historische Luftfahrt, zeigt (rechts) ein Requisit – die von unseren Buchbindern vergrößert angefertigte Luftschiffpost des Museumsgründers Oskar von Miller, deren Original im Archiv des Deutschen Museums liegt (HS 8081). Bilder: Deutsches Museum / Mareike Wöhler

Yannik: Kannst Du dafür vielleicht ein Beispiel geben?

Mareike: Ja, klar: Andreas wusste zum Beispiel nicht, dass in Erika Manns Kinderbuch „Stoffel fliegt übers Meer“ von 1932 neben dem Raddampfer „Luitpold“, von dem wir ebenfalls Objekte haben, tatsächlich auch die LZ 127 „Graf Zeppelin“ eine tragende Rolle spielt, von der wir die Bugspitze besitzen. Das ist ja wegen Erika Manns Münchenbezug und ihrer Weltreise auch für ihn spannend. Ich hatte das mit den 700.000 für die Gaszellen verwendeten Rinderblinddärmen – die sogenannte Goldschlägerhaut – vorher nie gehört. Das ist ja mehr als ein Fun-Fact. Diese enorme Dimension der Tierkörperverwertung wurde dann im Video zusätzlich mit einer Animation veranschaulicht. Gleiches gilt für den Flug über das Diorama – so detailliert und aus der Vogelperspektive kann es eine Person, die in der Ausstellung davorsteht, ja niemals betrachten. Hier haben uns unsere Modellbauer sehr unterstützt, die das schwere Glas vor dem Diorama entfernt und es entstaubt haben. Voraussetzung für ein solches Projekt ist natürlich eine Offenheit gegenüber dem Digitalen und digitaler Kooperation. Das eigentlich Spannende besteht doch darin, dass jeder etwas gibt und das Ergebnis größer als die Summe der einzelnen Teile ist, d.h. dass Synergien entstehen, sowohl im Haus als auch bei der Kooperation unserer drei Museen. Das Video wird vielleicht sogar in der künftigen Luftfahrtausstellung gezeigt – also ein produzierter Inhalt, der langfristig verwendet werden kann und damit nachhaltig ist und nicht gleich wieder von einem aktuelleren Online-Inhalt verdrängt wird, was mich besonders freut.

Abb. 7, 8: Detailaufnahmen und Kameraflug über das Diorama der Werft der Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Friedrichshafen am Bodensee (Deutsches Museum, München 1958). Bilder: Deutsches Museum / Mareike Wöhler

Mareike: Doch zurück zu Deiner Ausgangsfrage: Wir hatten mit dem „Studio Linder“ ein professionelles zweiköpfiges Team engagiert, das mit der Produktion von Videos schon Erfahrung gesammelt hat. Sie haben die Kameras Canon C300II und Blackmagic Pocket Cinema Camera 4K verwendet. Neben Regie, Kamera und Ton haben sie auch den Schnitt und die Animationen besorgt; die Musik wurde angekauft. Da das meiste also in einer Hand lag, wirkt alles wie aus einem Guss. Das Video selbst ist aber nicht in einem Take aufgenommen worden, wie viele vermuten, sondern wir haben 6 Stunden gedreht und sehr viele Takes in nichtchronologischer Reihenfolge gemacht, bis alle zufrieden waren. Die Nahaufnahmen des Dioramas und des Zeppelin-Modells wurden separat gedreht, Andreas hat den Text von den Aufnahmen getrennt eingesprochen. Das war für uns alle zwar ziemlich anstrengend, der Aufwand hat sich aber gelohnt, wie das positive Feedback zeigt.

Damian: Auf jeden Fall hat sich Eure Mühe gelohnt, wenn ich das mal so sagen darf. Ich bin vor allem mal gespannt auf Eure Animation der Zeppelin-Bugspitze in Originalgröße.

Mareike: Dank Dir Damian, das sind wir auch – kommt gerne vorbei, wenn die Ausstellung eröffnet wird und seht es Euch selbst vor Ort an, wie die Bugspitze mitsamt dem Luftschiff mittels AR in den Raum projiziert wird, also praktisch eine digitale Erweiterung der Bugspitze in AR erfolgt. Das Schönste ist ja, wenn eine Aktion neues Interesse an den Exponaten weckt. Und damit zurück zu unserer Projektidee: Damian, Du hast mich mit einer Frage auf die Idee zu unserem Kooperationsprojekt-Thema „Fantasiereisen“ gebracht. An der Aktion #ErikaMann hast Du Dich aber mit einem Thema beteiligt, das mit Fahrzeugen nichts zu tun hat. Deswegen hast Du jetzt für Euer Video noch einmal mit einer neuen inhaltlichen Recherche begonnen. Wie kamst Du auf den Heißluftballon, den wir am Anfang des Videos ja kurz sehen?

Damian: Ja, die Abbildung kam ja von euch. Meine Idee war einfach: Solche Heißluftballons sind ja auch Luftfahrzeuge! Da dachte ich direkt an Goethes Begeisterung für die Chemie der Gase und auch seine eigenen Versuche, Luftballons steigen zu lassen. Ich kuratiere in unserem Museum das „Faust-Labor“, das sich thematisch auf die Naturwissenschaften der Goethezeit fokussiert. Deshalb freue ich mich auch so über unsere Vernetzung, die ja auch den technischen Aspekt von Fantasiereisen betont.

Yannik: Hat Goethe denn überhaupt von Heißluftballons gesprochen? Es waren doch zunächst „Montgolfieren“ …

Damian: Genau! Die Brüder Montgolfier waren ja Papierfabrikanten und die ersten, die einen aus Leinen und Papier hergestellten Ballon haben steigen lassen. Goethe sprach selbst von Ballons, die „auf Montgolfierische Art“ steigen würden. Man muss sich das mal überlegen: Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte wurde klar, dass Menschen einen Flug in etwa 3000 Meter Höhe überleben können. Und Goethe fand das alles total spannend. Deswegen hat er ja auch eigene Experimente mit Luftballons gemacht.

Mareike: Die Objektauswahl und Konzeption des Videos hast Du gemacht, bei der Produktion (Dreh, Schnitt) hat Dich dann Deine Kollegin Madita Zinsen von der Kulturellen Bildung unterstützt. Dabei hast Du bereits Erfahrung mit dem Videoformat, weil Du bei Euch am Museum das tägliche Goethe-Morgen-Magazin auf Instagram machst. Erzähl’ uns doch bitte, wie Du ganz praktisch an die Sache herangegangen bist. Ihr habt ja aufgrund von Baumaßnahmen einige Einschränkungen, oder?

Damian: Ja, stimmt. Im Museum wird gerade viel renoviert und gebohrt. Und umso mehr freuen wir uns, dass unser umfangreiches digitales Angebot so gut angenommen wird. Der Instagram-Livestream verlangt wenig technisches Equipment und vor allem auch keine Postproduktion. Für uns war es also ein erster Auftakt zur Videoproduktion. Ich kann nur sagen, dass uns diese Kooperation auch in dieser Hinsicht einen Schritt vorwärts gebracht hat. Yannik hat mir viele Tipps für Kamera und Mikro gegeben.

Mareike: Ursprünglich hattest Du einen anderen Plan und wolltest über Goethe in Arkadien erzählen. Das hätte vielleicht noch etwas besser zu den Fantasiereisen als Goethe in Italien gepasst. Warum hast Du das ursprüngliche Konzept kurzfristig noch geändert?

Damian: Ich würde sagen, ich habe es nur auf die Italienreise komprimiert. Das Konzept von Fakt und Fiktion ist ja gerade in Goethes „Italienischer Reise“ besonders ausgeprägt, denn dieser Reisebericht ist ja kein Tagebuch, das nur Fakten aufzählt, sondern er wurde nachträglich bearbeitet und an Idealvorstellungen angepasst. Außerdem hoffe ich ja, dass wir durch unsere Kooperation auch andere Fantasieorte noch aufsuchen können, in denen Technisches auf Fiktionales trifft.

Mareike: Warten wir also ab, wohin uns die Reise als nächstes führt … Ideen hätten wir jedenfalls genug, oder? Für heute danke ich Euch erst einmal für das interessante Gespräch und die gute Zusammenarbeit!

Damian: Klar haben wir genug Ideen, Mareike. Ich denke nur daran, dass Goethe seinen Enkeln zu Weihnachten 1830 eine Spielzeug-Eisenbahn geschenkt hat. Es war ein englisches Modell, die erste Eisenbahn in Deutschland fuhr ja erst fünf Jahre später. Also, wer weiß, wohin Goethe in seiner Fantasie mit der Bahn gereist ist. Dir auch vielen Dank. Es macht große Freude mit Euch!

Yannik: Wir vom Zeppelin Museum sitzen in Friedrichshafen ja im ehemaligen Hafenbahnhof, Züge sind uns also auch nicht fremd, Schiffe sowieso nicht … Wasser, Boden, Luft, uns soll jeder Verkehrsweg recht sein. Danke Euch, wir bleiben dran!

Vorschaubild: Zeichnung: Deutsches Museum / Elisabeth Straßer