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Eine Seite der Scheibe dient als Sonnenuhr, die andere zur Umrechnung von Temporalstunden in Äquinoktialstunden. Die Sonnenuhrenseite trägt oben bei der Aufhängung einen ausklappbaren Schattenwerfer. Um die Uhr zu nutzen, musste sie senkrecht zur Nord-Süd-Richtung aufgehängt werden. Dann wurde die Scheibe mittels der Markierungen am Rand auf die aktuelle Stellung der Sonne im Tierkreis gedreht. Hierzu ist am unteren Ende der achteckigen Platte eine kleine Markierung vorhanden. Ohne astronomisches Tabellenwerk war diese Sonnenuhr also wenig brauchbar. Die Spitze des Schattens des Gnomons markierte schließlich die Uhrzeit. Die Markierung konnte auch dazu genutzt werden, die Sonnenuhr senkrecht aufzuhängen. Ein Lot, das nicht erhalten ist, kann dazu in der Mitte der Scheibe befestigt gewesen sein. Die Umrechnungs-Seite trägt ganz außen eine römisch beschriftete Skala für Äquinoktialstunden. Damit werden die modernen Stunden bezeichnet, die immer gleich lang sind. Daneben waren zu Zeiten des Herstellers Erasmus Habermel (gestorben 1606) auch Temporalstunden gebräuchlich: Man unterteilte die Zeit zwischen Sonnenauf- und -untergang in 12 Intervalle. Damit waren im Sommer die Temporalstunden am längsten, im Winter am kürzesten, und nur zweimal im Jahr zur Tag-/Nachtgleiche (= Äquinoktium) stimmten sie mit den Äquinoktialstunden überein. Die Scheibe bringt nun über den Zeiger die beiden Stundenangaben miteinander in Beziehung: Das Ende ist auf die Äquinoktialstunde eingestellt, die Temporalstunden sind durch die geschwungenen Linien ausgedrückt. Für die Umrechnung von einem Zeitmaß ins andere ist die Länge des Tages ausschlaggebend, die mit der Kante des Zeigers verknüpft ist: dessen Skala drückt die Zeit von Mittag bis Sonnenuntergang aus, die zwischen vier und acht Stunden schwanken kann. Beispielsweise entspricht die äquinoktiale Uhrzeit 17:30 Uhr bei einer Tageslänge von 6 3/4 Stunden fast genau der Temporalstunde 11, wenn diese von Sonnenaufgang gezählt wird. Diese Zählung wird babylonisch genannt (gepunktete geschwungene Linien), bei einer Zählung von Sonnenuntergang ab (nicht gepunktete Linien) spricht man von italienischen oder böhmischen Stunden. Weniger anzeigen
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Die Einteilung inTemporalstunden geht darauf zurück, dass Menschen vor der Verbreitung künstlicher Lichtquellen ihre täglichen Arbeiten nach Sonnenauf- und -untergang ausrichteten. Im christlichen Mittelalter richteten die klösterlichen Gemeinschafen ihre Tagesabläufe nach Temporalstunden. Äquinoktialstunden verbreiteten sich immer stärker, nachdem im 14. Jahrhundert mechanische Uhren aufkamen. Zuvor stellten sie seit der Antike auch bei astronomischen Berechnungen die bevorzugte Stundenzählung dar. Ein dem vorliegenden sehr ähnliches Instrument ist im Museum of the History of Science in Oxford vorhanden (Inventory number 35550, http://www.mhs.ox.ac.uk/epact/catalogue.php?ENumber=32778). Weniger anzeigen