Notenrollensammlung
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Projektinfo

Dieses Projekt befasst sich mit der Erschließung und Digitalisierung von Notenrollen für selbstspielende Klaviere des Deutschen Museums.

Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten selbstspielenden Klaviere und Vorsetzer auf den Markt, die von perforierten Programmträgern aus Papier, den sogenannten Notenrollen, gesteuert werden. Bald darauf gab es eine Vielzahl verschiedener Systeme und Anbieter. Als Zentren bildeten sich die USA und Deutschland heraus.

In der Sammlung des Deutschen Museums befinden sich heute über 3.200 Notenrollen unterschiedlicher Systeme. Diese wurden von 2013 bis 2015 in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt erschlossen. Hierzu wurden ein Katalogisierungsschema entwickelt, das erstmals eine eindeutige Identifikation der Rollen ermöglicht, zentrale Beschreibungsparameter der Notenrollen in einer Datenbank erfasst, die Daten normiert und die Rollen fotografisch dokumentiert. Sie sollen zudem als Scans digitalisiert werden. Darüber hinaus wurden eine umfangreiche Literaturübersicht und Beschreibungen der in der Sammlung vertretenen Rollentypen erstellt. Das Verzeichnis bildet die Grundlage für ein überregionales Nachweisinstrument zur Erschließung eines außergewöhnlichen Quellenbestandes, der sich auf viele Museen, Bibliotheken, Forschungsinstitute und Rundfunkanstalten verteilt.

Die intensive Beschäftigung mit Notenrollen und der darauf gespeicherten musikalischen Parameter wirft  weiterführende Forschungsfragen zu Interpretation und Authentizität von Musik und ihrer Reproduktion auf. Hieraus ergeben sich vielversprechende Ansatzpunkte für weitere Forschungsbeiträge in den Bereichen der musik- und medienwissenschaft ebenso wie der Wissenschafts- und Technikgeschichte, die bereits während des Projektverlaufs angelegt wurden.

 

Projektleiterin: Silke Berdux, Kuratorin für Musikinstrumente
Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Dr. Rebecca Wolf
Projektlaufzeit: 2013-2015

Die Sammlung

Die Sammlung der Notenrollen des Deutschen Museums ist historisch gewachsen. Sie wurde in den vergangenen einhundert Jahren zusammengetragen.

Dabei liegen die Schwerpunkte auf Rollen für die Reproduktionsklaviere der Firma Welte in Freiburg im Br. (ca. 900 Rollen) sowie auf Rollen verschiedener Typen der Firmen Hupfeld in Leipzig (ca. 1.400 Rollen) und Aeolian in New York (ca. 200 Rollen). Hinzu kommen Rollen heute weniger bekannter Fabrikate und Systeme.

Die Notenrollen der Sammlung bieten ein weitgefächertes musikalisches Repertoire; es umfasst Interpretationen eigener Stücke etwa von Claude Debussy, Edvard Grieg und Max Reger, Einspielungen klassischer Musik durch Pianistinnen und Pianisten wie Eugen d’Albert, Wilhelm Backhaus, Vladimir Horowitz, Wanda Landowska, Elly Ney, Carl Reinecke und Artur Schnabel sowie Unterhaltungs-, Tanz- und Militärmusik. Manche Rollen bieten zudem vierhändiges Klavierspiel oder dienen als Begleitrollen zum Musizieren und Singen mit dem Medium.

In den meisten Fällen sind in der Sammlung auch die zugehörigen Instrumente vorhanden.

Das Projekt

Erschliessung

Fotografie

Digitalisierung

Internet

Öffentliches

Beschreibung

Im Rahmen des Projekts erfolgte eine Tiefenerschließung der Rollen. Ziel war es, erstmals alle für die eindeutige Identifizierung notwendigen Informationen zu erfassen.

Die meisten Beschreibungsdaten sind den Rollen selbst zu entnehmen (Hersteller, Rollentyp, Komponist/-in, Werk, Aufnahmedatum, Interpret/-in, Beschriftungen und Zustand). Weitere wurden im Rahmen der Digitalisierung erfasst (Maße, Stanzdatum und Spieldauer).

Standard

Obwohl heute in verschiedenen Institutionen große Bestände an Notenrollen existieren, gab es keine Richtlinien oder Standards zur Erschließung von Notenrollen.

Bestehende Regelwerke für Musikalien oder Tonträger berücksichtigen Notenrollen und andere Programmträger für Musikautomaten nicht. Dies macht deutlich, dass sie einen eigenen Quellentyp bilden, der zwischen bereits bestehenden Quellengruppen angesiedelt ist und einer eigenen Erschließung bedarf.

Workshop und externe Expertise

Weiteres Ziel des Projekts war es deshalb, Standards für die Beschreibung von Notenrollen zu entwickeln. Als erster Schritt wurde im Mai 2013 im Deutschen Museum der Workshop „Klavierrollen im Katalog“ mit SpezialistInnen und KollegInnen aus verschiedenen Sammlungen des In- und Auslandes veranstaltet. Neben der intensiven Diskussion der Erschließungsparameter wurden weiterreichende Kooperationen geschlossen, so mit den Spezialisten aus dem Feld der selbstspielenden Klaviere Hans-W. Schmitz, Rex Lawson und Denis Hall, mit dem Projekt "Wie von Geisterhand" der Berner Hochschule und dem Schweizer Musikautomatenmuseum Seewen, dem Augustiner Museum in Freiburg im Br., dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe, dem Berliner Musikinstrumentenmuseum, dem Pianolamuseum Amsterdam und dem Ringve Museum Trondheim.

Definition von Rollentypen

Um die Rollen eindeutig identifizieren zu können, wurden Rollentypen definiert und eine Schreibweise entwickelt.

Normierung der Beschreibungsdaten

Die Schreibweisen der Namen von Personen und Herstellern sowie der Titel musikalischer Werke weichen auf den verschiedenen Rollen oft erheblich voneinander ab.

Um eine Recherche über den gesamten Bestand zu ermöglichen und die Kompatibilität mit anderen Systemen und Verzeichnissen sowie online-Ressourcen sicherzustellen, werden die Beschreibungsdaten normiert. Dies geschieht nach bestehenden Regelwerken.

Stichwortvergabe

Zu Personen und dem musikalischen Repertoire wurden Stichworte vergeben, um eine thematische Suche zu ermöglichen.

Literaturverzeichnis

Knapp 500 Einträge umfasst die Literaturdatenbank, die teils den Rollentypen oder einzelnen Rollen zugeordnet sind. Ihr sind Titel zum Thema selbstspielender Instrumente zu entnehmen, zum Repertoire, zu den Musikerinnen und Musikern sowie zum Feld der Digital Humanities. Ebenfalls sind Webseiten und Projekte verwandter Themenfelder verlinkt.

Die Notenrollen tragen zahlreiche Informationen, die durch ein visuelles Abbild adäquat dargestellt werden können. Dies betrifft die Etiketten mit grafischen Symbolen und häufig faksimilierter Unterschrift der Pianistin oder des Pianisten, die Papierfarbe, in Einzelfällen auch weitere Besonderheiten wie handschriftliche Notizen oder Texte bei Liedbegleitungen.

Sie sind für die historische Einordnung der Rollen von großer Bedeutung, zugleich erweitern sie die Kenntnisse über die Rollenproduktion und die Warenflüsse zwischen verschiedenen Herstellern, für die bisher keine Daten zur Verfügung stehen.

Im Rahmen des Projekts wurde erstmals ein definierter Workflow entwickelt, um jede Rolle durch vier Aufnahmen fotografisch zu dokumentieren und so die wichtigsten Parameter festzuhalten: eine Gesamtansicht von Rolle und Schachtel und Detailansichten von Rollen- und Schachteletikett sowie des Beginns der Lochungen und wenn vorhanden der weiteren Markierungen.

   

   

Die Digitalisierung dient der Dokumentation der visuellen Merkmale der Notenrollen. Sie erfolgt durch ein erprobtes Verfahren, das von spezialisierten Firmen mit speziellen Scannern und Programmen betrieben wird.

Beim üblichen Verfahren erfolgt die hochwertige Digitalisierung der Notenrolle mit einer Spezialkamera, die ein Abbild der Lochungen der Rolle erzeugt und diese in ein digitales Format überführt. Dieses Verfahren, das auf das Nachstanzen von Rollen zielt, wird im Rahmen des Projekts erweitert, um auch visuelle Markierungen, etwa intrinsische Inhalte wie Korrekturen und Beschriftungen sowie bei Rollen für Kunstspielklaviere die Aufführungshinweise, dokumentieren zu können.

In einem weiteren Schritt erfolgt die Umsetzung der Tonsteuerungsparameter in MIDI-Dateien und damit die Konvertierung in ein Standardformat zur Übermittlung musikalischer Steuerinformationen. Für die Präsentation im Internet werden sie, soweit es die Komplexität der Perforierungen zulassen, über einen Sequenzer in Audiodateien umgewandelt. Sie können aber auch zur Steuerung moderner selbstspielender Klaviere, wie sie im Deutschen Museum vorhanden sind, verwendet werden.


Für das Projekt wurde eine eigene Webseite entwickelt, auf der die Daten in open access angezeigt werden. Die Webseite liefert neben den Beschreibungsdaten der Notenrollen weiterführende Informationen: einen Katalog der Rollentypen mit detaillien Beschreibungen und Fotografien, eine umfangreiche Zusammenstellung von Literatur und natürlich die Katalogisierungsrichtlinien, nach denen die Verzeichnung erfolgte. Die Daten zu den Rollen wurden durch Links auf zugehörige Artikel in NDB und Wikipedia, Online-Lexika sowie die Normdaten in der GND angereichert.

In einem weiteren Schritt werden die Daten in das Deutsche Museum Digital sowie überregionale Portale wie „Bibliotheken, Archive, Museen“ (BAM), „Deutsche Digitale Bibliothek“ (DDB), Europeana sowie in die Virtuelle Fachbibliothek Musikwissenschaft (ViFa Musik) eingebracht.

Eine Erweiterung des Systems ist jederzeit möglich, so dass Bestände anderer Institutionen ebenso wie andere Programmträger für Musikautomaten einbezogen werden können.

Kultur-Hackathon "Coding da Vinci" 2015

Beim Berliner Hackathon "Coding da Vinci" 2015 beschäftigten sich mehrere Teams mit den Notenrollendaten, die im Rahmen des Projekts erzeugt wurden. Die Notenrollen boten damit die beliebteste Ressource. Das Projekt "Midiola" von Luca Beisel, Tom Brewe, Joscha Lausch und Mohammad Moradi gewann den Preis für das beste Design, einen von nur fünf vergebenen Preisen. Mehr dazu ...

Vorträge

Digital Performance of Cultural Heritage or: How to Discuss the Authenticity of Piano Rolls. CIMCIM Conference 2015 "Performers and Performance in a Museum Environment: Global Perspectives", Moskau, St. Petersburg, Russia. Juni/Juli 2015, Rebecca Wolf

Transformation of Music: Early Notation Machines and the Digitization of Piano Rolls. Symposium "New Views on Old Instruments", Scientific Instrument Commission, University of Tartu, Estonia. August 2014, Rebecca Wolf

Spielen und bedienen. Das Player Piano als virtuose Maschine. Konferenz "Spiel (mit) der Maschine. Musikalische Medienpraxis in der Frühzeit von Phonographie, Reproduktionsklavier, Film und Radio", Institut für Musikwissenschaft, Goethe Universität Frankfurt am Main. Mai 2014, Rebecca Wolf

The Variety of Paper Rolls for Player Pianos: Ancestors and Current Digitization. NEMA Conference "Mechanical Musical Instruments", Guildhall School of Music, London. Juli 2013, Rebecca Wolf

Das Team

Projektleitung: Silke Berdux, Kuratorin für Musikinstrumente
Wissenschaftliche Mitarbeit: Dr. Rebecca Wolf
Fotografien: Konrad Rainer
Programmierung: Siegfried Schweizer
Datennormierung: Bernhard Lutz
Wissenschaftliche Hilfskraft: Till Kordt-Dauner
Webdesign: Joana Leal
Digitalisierung: N.N.
Beratung: Hans-W. Schmitz